Um die Dekarbonisierung der Schifffahrt voranzutreiben, wird im Projekt CF08_2 ein mit Ammoniak betriebenes, containerisiertes Binnenschiff-Antriebssystem mit 350 kW Antriebsleistung entwickelt und „an Land“ getestet. Abbildung 1 zeigt eine schematische Darstellung des Antriebssystems. Zur Verbesserung der Zündung und effizienten Umsetzung des Ammoniaks im Motor wird zusätzlich ein bestimmter Anteil an Wasserstoff im Brennstoff benötigt. Hierfür wird dem Motor ein Ammoniak-Cracker vorgeschaltet, welcher einen Teilstrom des Ammoniaks endotherm in Wasserstoff und Stickstoff aufspaltet und dieses Gemisch als Pilotkraftstoff dem Verbrennungsmotor zuführt.
Abbildung 1: Schematische Darstellung des ammoniakbetriebenen Antriebssystems eines Binnenschiffes
Entwicklungsarbeit am ZBT
Die Cracker-Anlage wird durch das ZBT entwickelt, konstruiert und aufgebaut sowie umfangreich getestet und optimiert. Nach erfolgreicher Containerisierung der Cracker-Anlage unterstützt das ZBT außerdem die Kopplung mit dem Motor sowie den Betrieb des Gesamtsystems. Die Anlagenentwicklung wird durch ZBT eigene, umfangreiche Simulationsarbeiten, insbesondere zur Prozess- und Reaktorauslegung sowie zur Steuerungsentwicklung unterstützt. Eine Übersicht über die Simulationsarbeiten zeigt Abbildung 2. Die Prozessentwicklung erfolgt mittels 0D-Simulation in Aspen Plus®. Ziel hierbei ist die Umsetzung einer optimierten Wärmeintegration sowie die Ermittlung aller relevanten Stoff- und Energieströme. Diese sind für die Auslegung und Auswahl von Baugruppen der Anlage wie Reaktor, Brenner, Wärmeübertrager, Kompressoren usw. erforderlich. Die Detailauslegung des Reaktors sowie von Strömungsbauteilen wie z.B. Verteilerstrukturen erfolgt unter Berücksichtigung von Reaktion sowie Stoff‑, Wärme- und Impulsaustausch unterstützt durch 2D/3D-Multiphysiksimulationen in COMSOL Multiphysics®. Zur Steuerungsentwicklung für die Automatisierung der Cracker-Anlage wird das 0D-Modell aus Aspen Plus® in ein dynamisches und echtzeitfähiges Modell in AVL CruiseTM M überführt. Hierzu wird ein 2D-FVM Modell des Cracking-Reaktors in Python entwickelt und über das Tool Model.ConnectTM in AVL eingebunden. Das dynamische AVL-Modell wird für die Erarbeitung optimierter Betriebsstrategien, insbesondere für Anfahr- und Abfahrprozesse und Lastwechsel sowie sicherheitstechnischer Fragestellungen verwendet. Dies ermöglicht nicht nur eine Steigerung der Anlageneffizienz und ‑sicherheit, sondern auch die Verbesserung des Betriebs unter variabler Last und eine Erhöhung der Lebensdauer durch bspw. die Vermeidung von Katalysatorüberhitzungen.
Parallel zu den Simulationsarbeiten wird am ZBT derzeit eine Ammoniak-Laborinfrastruktur und ‑Testumgebung aufgebaut, die es ermöglicht, nicht nur die Baugruppen der Cracker-Anlage einzeln und im prozesstechnischen Verbund, sondern auch die gesamte Cracker-Anlage experimentell zu untersuchen. Hiermit werden umfangreiche experimentelle Daten zur Validierung der Simulationsarbeiten zur Verfügung gestellt.
Abbildung 2: Einsatz von Simulations-Werkzeugen am ZBT zur Entwicklung und Optimierung der Cracker-Anlage
Potenzialanalyse am LTT
Um die Effizienz des Gesamtsystems aus Cracker und Motor zu erhöhen, werden am Lehrstuhl für Technische Thermodynamik der Universität Rostock auf theoretischer Ebene die Möglichkeiten einer thermischen Kopplung von Motor und Cracker-Anlage untersucht. Der Motor weist ein Abwärmepotenzial auf, welches abhängig vom Betriebszustand ist. Dieses Abwärmepotenzial kann im Cracker genutzt werden und somit den externen Energiebedarf des Crackers verringern. Dies hat eine Steigerung des Wirkungsgrads des Gesamtsystems zur Folge. Um die verschiedenen Möglichkeiten zu bewerten und Optimierungen durchzuführen, wird sowohl eine 0D-Simulationsstudie des Gesamtsystems als auch eine detaillierte 3D-Simulation der Wärmeeinkopplung in den Cracker durchgeführt. Erste Ergebnisse der Simulation des Gesamtsystems zeigen das mögliche Potenzial der Wärmekopplung: eine Verbesserung des Systemwirkungsgrades von bis zu 4 %-Punkten.
Ergebnisse und Erkenntnisse aus den Entwicklungsarbeiten der Ammoniak-Cracker-Anlage werden fortlaufend innerhalb des Teilprojektes kommuniziert und haben so direkten Einfluss auf die Versuchsaufbauten und Experimentführungen der Forschungsarbeiten am KIT in Karlsruhe und der Uni Rostock.