Grüner Ammoniak – Energieträger der Zukunft (mehr)

Im Schatten des Hypes um grünen Wasserstoff entsteht mit Ammoniak (NH3) eine echte Perspektive, um mithilfe von Strom aus Windenergie und Photovoltaik einen speicherbaren Energieträger zu erzeugen. Die deutsche Industrie verfügt über mehr als 100 Jahre Erfahrung in der Produktion, Speicherung und im Transport dieses Gases.

NH3 ist ein effi­zi­enter Wasser­stoff­spei­cher. Der Wasser­stoff­ge­halt ist mit 108 g H2/l mit Methanol (CH3OH) vergleichbar. Der Vorteil Ammo­niaks gegen­über kohlen­stoff­ba­sierten Ener­gie­trä­gern ist, dass zur Produk­tion kein CO2 benö­tigt wird, welches in der Atmo­sphäre nur in geringer Konzen­tra­tion vorkommt. Gegen­über reinem Wasser­stoff hat NH3 den Vorteil, dass die volu­men­be­zo­gene Ener­gie­dichte deut­lich höher ist.

In der prak­ti­schen Anwen­dung kommt es vor allem auf die volu­men­spe­zi­fi­sche Ener­gie­dichte an – und da ist die von Wasser­stoff unter atmo­sphä­ri­schem Druck mit 0,003 kWh/l äußerst gering. Die Ener­gie­dichte flüs­sigen Wasser­stoffs liegt immerhin bei 1,4 kWh/l – hierfür werden aber etwa 700 bar Druck benö­tigt. Die volu­metri­sche Ener­gie­dichte flüs­sigen Ammo­niaks beträgt dagegen 3,2 kWh/l. Dafür werden ledig­lich 8 bar Druck benö­tigt. Die Kompres­sion zur Verflüs­si­gung erfor­dert deshalb viel weniger Ener­gie­auf­wand als bei Wasser­stoff. Da die Ener­gie­dichte von Ammo­niak im Vergleich zu kohlen­stoff­ba­sierten Flüs­sig­kraft­stoffen aber immer noch relativ gering ist (Diesel: 9,9 kWh/l), eignet es sich v.a. als Treib­stoff in der Schiff­fahrt, Schienen oder Luft­fahrt­fahr­zeuge und zur Nutzung in statio­nären Energieversorgungssystemen.

Am häufigsten kommt zur Ammo­niak­syn­these das Haber-Bosch-Verfahren zum Einsatz, wobei mehrere Prozess­schritte durch­ge­führt werden. Zum einen muss mole­ku­larer Stick­stoff auf der Luft gewonnen und im Hoch­druck-Reaktor („Haber-Bosch-Reaktor“) mittels eines Kata­ly­sa­tors die beiden Stick­stoff­atome unter hohem Druck und hohen Tempe­ra­turen aufge­bro­chen werden. Des Weiteren wird aus Wasser­dampf Wasser­stoff herge­stellt, der im Haber-Bosch-Reaktor mit Stick­stoff zu Ammo­niak umge­setzt wird. Der Prozess­schritt zur Wasser­stoff­ge­win­nung wird größ­ten­teils aus fossilen Ener­gie­trä­gern reali­siert, z.B. mittels Dampf­re­for­mie­rung aus Erdgas gewonnen, was den Prozess klima­schäd­lich macht und Ursache für ca. 3 Prozent der welt­weiten CO2-Emis­sionen durch die Dünge­mit­tel­pro­duk­tion ist. Eine grüne Alter­na­tive ist, den Wasser­stoff aus Elek­tro­lyse von Wasser­dampf zu gewinnen. Wenn die benö­tigte Energie dazu erneu­erbar ist, ist dieser Prozess klima­neu­tral. Derzei­tige Haber-Bosch-Prozesse müssen aller­dings konti­nu­ier­lich mit einer Grund­last von mindes­tens 50% betrieben werden, um eine Wirt­schaft­lich­keit abzubilden.

CAMPFIRE entwi­ckelt last­fle­xible Haber-Bosch-Verfahren auf der Basis von mikro­struk­tu­rierter Reak­ti­ons­technik, neuen Kata­ly­sa­toren und inno­va­tiven Anla­gen­kon­zepten, um bei Einspei­sung von fluk­tie­render erneu­er­barer Energie auch bei geringen Grund­lasten von 5–10% eine effi­zi­ente Synthese von Ammo­niak aus Elek­tro­lyse-Wasser­stoff umzu­setzen. Last­fle­xible Haber-Bosch-Verfahren können für die on-shore und off-shore Spei­che­rung von erneu­er­barer Energie einge­setzt werden. Eine weitere Entwick­lungs­rich­tung der CAMP­FIRE-Partner ist ein Verfahren, bei dem NH3 direkt mittels Elek­tro­lyse erzeugt wird. „Direkt“ heißt, man spart sich den ersten Schritt der Wasser­stoff­pro­duk­tion und Ammo­niak wird direkt aus Wasser und Stick­stoff aus der Luft erzeugt. Im soge­nannten Fest­körper-Ammo­niak-Synthe­se­ver­fahren (Solid State Ammonia Synthesis — SSAS) reagiert Wasser­dampf an der Kathode mit Luft­stick­stoff zu Ammo­niak. Somit kann grüner Ammo­niak beson­ders effi­zient und in großen Mengen aus Wind- oder Solar­strom herge­stellt werden.

Um das grüne Ammo­niak schließ­lich als Treib­stoff zu nutzen oder zu mole­ku­laren Wasser­stoff umzu­wan­deln, wird es über einen soge­nannten Ammo­niak-Cracker wieder in Wasser­stoff und Stick­stoff gespalten. Die Umwand­lung kann entweder on-shore oder an Bord des Schiffes erfolgen. Im Verbren­nungs­motor wird eine Mischung aus Ammo­niak und aus dem Cracker bereit­ge­stellten Wasser­stoff für ein effek­tives emis­si­ons­freies Brenn­ver­fahren einge­setzt. Eine Polymer-basierte Brenn­stoff­zelle (Polymer Exchange Membrane Fuel Cell — PEMFC) nutzt aus dem Cracker an Bord des Schiffes bereit­ge­stellten Wasser­stoff zur Umwand­lung in Antriebs­en­ergie. Hier werden von den CAMP­FIRE-Part­nern hoch­dy­na­mi­sche Ammo­niak-Crackers mit einem inte­grierten Prozess­schritt zur Wasser­stofff­ein­st­rei­ni­gung entwi­ckelt. In der Hoch­tem­pe­ratur-Brenn­stoff­zelle (Solid Oxide Fuel Cell — SOFC) wird reiner Ammo­niak verstromt. In den CAMP­FIRE-Projekten liegt in diesem Themen­be­reich der Fokus auf der Entwick­lung von kosten­güns­tigen Zell­kon­zepten und Synthe­se­ver­fahren, die eine Kosten­de­gra­dation der SOFC für hohe Leis­tungs­klassen ermöglichen.

Für den Aufbau von zukünf­tigen Trans­port­ketten auf der Basis von grünem Ammo­niak werden durch CAMPFIRE Lösungen für flexible autonom und emis­si­ons­frei betrie­bene Betan­kungs­an­lagen entwi­ckelt – für Ship-to-Ship, Land-to-Ship und Lorry-to-Ship. Der Betan­kungs­pro­zess muss dabei über verschie­dene Druck- und Tempe­ra­tur­stufen durch­führbar sein. Für Wasser­stoff-Endkunden werden Ammo­niak-betrie­bene multi­modale Tank­stellen mit ange­passten Ammo­niak-Crackern und Wasser­stoff-Fein­st­rei­ni­gungs­mo­dulen für die Versor­gung von land­sei­tigen Verbrau­chern (PKW, LKW, Busse, Bahn) entwi­ckelt. Für die statio­näre Ener­gie­ver­sor­gung kann Ammo­niak direkt in moto­ri­schen Block­heiz­kraft­werken (BHKWs) einge­setzt werden. Hierzu wird im CAMPFIRE der Verbren­nungs­pro­zess in BHKW-Gasmo­toren auf den Betrieb in Hybri­di­sie­rung mit dem Cracker angepasst.